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Volkstrauertag 13.11.2022
Rede Pastor Franke

Ansprache am Volkstrauertag 13.11.2022 von Pastor Ulrich Franke

Seit dem 24. Februar dieses Jahres leben wir in einer Zeitenwende – sagte am 27. Februar der Bundeskanzler im Bundestag. Alle Parteien stimmten dem zu. Schon am Tag des Überfalls Russlands auf die Ukraine hatte die Außenministerin das ausgesprochen: „Wir sind heute Morgen in einer neuen Zeit aufgewacht.“

 

Die sog. „neue Zeit“ besteht darin, dass erstmals nach dem 2. Weltkrieg in Europa wieder Krieg ist. Die neue Zeit besteht auch darin, dass nach Jahrzehnten des Abtauens des Kalten Krieges ein heißer wieder vor unserer Tür steht. Ein Autokrat an der Spitze Chinas, kündigt nicht nur wirtschaftliche Weltmachtstellung an. Der Klimawandel wird durch West wie Ost buchstäblich angeheizt.

 

Die Angst sitzt vielen Verantwortlichen im Nacken. Ein kleiner Funke kann das Pulverfass auch hier bei uns im Westen zur Explosion bringen. Daher kein Kriegseintritt der Nato-Mitglieder. Das ist klug.

 

Wenn auch die Drohung mit Atomwaffen oder der „Energiewaffe“ durchaus realistisch ist und nicht nur Angstmacherei zu sein braucht, ist es m.E.  nicht richtig, schnelle Friedensverhandlungen ohne Bedingungen mit dem Angreifer zu beginnen. Jeder Autokrat nutzt so etwas für sich und sieht es als Schwäche des anderen. Auch Putin und sein kirchliches Sprachrohr Patriarch Kyrill. Wichtiger ist dieser Grund: Der Angriff verletzte Völkerrecht. Das ist Verletzung  eines grundlegenden Rechtes der Souveränität eines Staates. Das Handeln nach Recht schafft das große Gut Gerechtigkeit. Die geht jedem Frieden voraus.

 

Wer um des lieben Friedens willen die Augen vor dem Rechtsbruch oder vor Ungerechtigkeit schließt, kann nie dauerhaften Frieden schaffen, auch keinen gesellschaftlichen Frieden. Nur wer Recht durchsetzt, schafft auch Frieden. Das gilt in diesem Krieg zwischen Russland und der Ukraine. Das gilt auch für den gesellschaftlichen Frieden in unserem Land, hier bei uns am Ort, in jeder Familie und überall, wo Menschen zusammen sind. Kinder können es nicht ausstehen, wenn andere bevorzugt werden, wenn eine Lehrerin etwas tut, das für sie ungerecht ist.

 

„Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein,“ (Jes. 32,17) sagt der Prophet Jesaja in einer  Zeit, in der die Macht sich nicht mehr an das Recht hält, die Dummschwätzer, die dem Mächtigen nach dem Mund reden, edel genannt werden und die Schwachen durch Lügen schädigen. ( siehe Jes. 32,1-7).

 

Wenn die politische und jede Macht sich nicht an das Recht bindet, da gilt nicht wahr und falsch. Da wird die Lüge, werden fake-news normale Mittel, um die Macht zu gewinnen oder sie zu halten. Das sehen wir bei den Autokraten heute und auch bei den Populisten im Westen.

 

Recht ist mehr als Regel. Recht schützt das Leben und die Meinung der Minderheit und der Schwachen. Ich finde: Daran kann man zuerst einen Rechts-Staat, die Kirche, jede Gemeinschaft erkennen, wo es „recht zugeht“. Das wissen wir aus unserer eigenen Geschichte. Im Nazi-Deutschland wurden Juden und Minderheiten, wurden auch den Kranken das Recht und auch das Lebensrecht entzogen mit allen Folgen. Die Bundesrepublik unterschrieb deshalb sofort die Charta der Menschenrechte. Die gelten universell. Das ist ohnehin die Folge der Universalität der Nächstenliebe als dem Gesetz Jesu.

 

Ich sage das so einfach sage und merke, welche Folgen das haben kann: zu jedem Staat auf Abstand gehen, für den Menschenrecht nicht gilt, auch zu jedem Menschen und zu jeder Gruppe, die grundlegende Rechte von Menschen missachten, ignorieren, sie runtermachen. Auch hier bei uns in Olfen. Auch hier in Olfen ist es wichtig zu hören, wenn Menschen auch nur meinen, ihnen geschehe Unrecht, auch wenn das sachlich erst einmal nicht begründet scheint. Das ist nämlich der Anfang von Unfrieden bei uns.

 

Heute ist Volkstrauertag. Noch nach Jahrzehnten gedenken wir der Opfer der beiden großen Weltkriege. Ihre Namen sind bei den meisten vergessen. Die verscharrten Menschen mit den Folterspuren, die in der Ukraine aus den Massengräbern geborgen werden, sollten dasselbe Schicksal erleiden wie die Verfolgten der Hitler - wie der Stalindiktatur. Das Recht jedes Menschen fordert deshalb auch, dass vergangene Gewalt, vergangenes Unrecht, gesühnt wird.

 

Wenn wir der Opfer des Unrechts gedenken, halten wir deshalb nicht nur ihr Leben und ihr erlittenes Leid lebendig, sondern auch das Unrecht, das ihnen angetan wurde. Die Prozesse wegen der Greueltaten in den KZ`s, an der Front und mitten in den Städten sind bis heute wichtig – wegen der Menschen, denen das angetan wurde und wegen des gesellschaftlichen Friedens jetzt und in Zukunft. Recht schützt die Würde der Menschen und zeigt ihm seine Verantwortung. Deshalb ist das Reden vom letzten Gericht vor Gott weiterhin notwendig, um Gottes willen   wegen der Menschen,  denen bitteres Unrecht geschah (und bei denen die meisten wegguckten).

 

„Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer.“

 

Wenn das den Verantwortlichen in der Politik bewusst wird wie jeder und jedem hier, können diese gefährlichen Zeiten auch eine Chance werden, dass wir wirklich eine Zeitenwende erleben, eine Wende zum Guten. Vorher aber nicht.